Messgeräte: Ermitteln Sie die Anzahl multilokal lebender Personen und deren Wünsche und Anforderungen

Wie hoch ist der Anteil multilokal lebender Personen? Welche Statistiken und Analysen können Sie zur Abschätzung verwenden? Welche Formen und Motive mehrörtigen Lebens gibt es in Ihrer Kommune?

Eine genaue Abschätzung der Anzahl multilokal lebender Personen in der eigenen Kommune ist kaum möglich. Dies liegt zum einen an der ungenauen Abgrenzung des Phänomens und den unterschiedlichen Motiven multilokal lebender Personen; zum anderen aber auch an der Herausforderung, multilokale Lebensformen statistisch zu bestimmen. Fehlen Ihnen auch Aussagen über die Anzahl der Multilokalen in Ihrer
Kommune? Möchten Sie auch gern mehr über die Motive und Formen multilokaler Lebensformen wissen? Dann können Sie hier erfahren, mithilfe welcher Statistiken und Analysen Sie die Anzahl multilokal lebender Personen abschätzen können und welche Formen und Motive mehrörtigen Lebens es in Ihrer Kommune gibt.

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Wie viele Multilokale leben in meiner Kommune? Methodische Zugänge zur Annäherung an das Phänomen

Eine erste statistische und quantitative Erfassung multilokaler Lebensweisen ist sehr schwierig. Meldedaten der Kommunen oder andere Statistiken können zwar erste Annäherungen liefern, bilden das Phänomen aber nicht in Gänze ab. Das liegt zum einen an den diversen Gründen und Motiven der multilokal lebenden Menschen, zum anderen aber auch am Meldeverhalten der Multilokalen. Oft sind diese nicht gemeldet, weil sie z. B. bei ihrer Partnerin/ihrem Partner oder bei Freundinnen und Freunden übernachten. Außerdem werden Multilokale, die z. B. aufgrund von Dienstreisen regelmäßig in den gleichen Hotels, Pensionen oder Ferienwohnungen übernachten, nicht statistisch oder melderechtlich erfasst. Das gilt meistens auch für Dauercamperinnen und Dauercamper.

Um die Zahl der in Ihrer Kommune multilokal lebenden Personen wenigstens annähernd bestimmen können, bieten sich verschiedene methodische Zugänge an. Beispielhaft vorgestellt werden hier Ansätze, die sich v. a. auf berufsbedingte Multilokalitätsformen beschränken, weil diese zumindest in Teilen abgebildet werden können:

Quantitative Ansätze

Auswertung statistischer Daten

Einige statistische Daten liefern auszugsweise Informationen zur Quantifizierung von Multilokalität. Hier werden beispielhaft Ergebnisse aus Zählungen und Umfragen vorgestellt, die zur Annäherung genutzt werden können.

Mikrozensus

Der Mikrozensus ist eine repräsentative registergestützte Zählung, in der registrierte wohnhafte Personen in Deutschland untersucht werden. Die Zählung basiert auf einer Stichprobe von 1 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung. Im Jahr 2010 hatten demnach 2,1 Prozent der befragten Personen eine Zweitwohnung. Im Jahr 2009 waren es 1,7 Prozent. Auch in der Schweiz und in Österreich gibt es ähnliche Zählungen.

Einkommens- und Verbrauchsstichprobe

Zudem werden alle fünf Jahre zusätzlich im Rahmen des Mikrozensus freiwillig 60.000 Haushalte in Deutschland durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe befragt. Daten aus dem Jahr 2008 zeigen, dass ca. 2,8 Prozent (ca. eine halbe Million) aller Haushalte eine Nebenwohnung aus beruflichen oder ausbildungsbedingten Gründen nutzen.

Sozio-ökonomisches Panel

Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) befragt jährlich die immer gleich bleibende ca. 30.000 Personen in Deutschland. Im Jahr 2006 hatten laut SOEP 10,9 Prozent der 18-jährigen Deutschen eine Partnerin oder einen Partner außerhalb des eigenen Haushalts.

Auswertung von Meldedaten

Sie möchten wissen, wie viele Personen in Ihrer Kommune über mehrere Wohnsitze verfügen? Und wie deren Altersstruktur ist? Die gängigen Software-Produkte, die zur Verwaltung der Meldedaten genutzt werden, erlauben Auswertungen danach, ob die in der Meldestatistik erfasste Person über

  • lediglich einen Hauptwohnsitz in der eigenen Gemeinde,
  • einen Hauptwohnsitz in der eigenen Gemeinde und einen Nebenwohnsitz woanders bzw.
  • einen Nebenwohnsitz in der Gemeinde und einen Hauptwohnsitz woanders

verfügt.

Damit lassen sich Auswertungen zur Anzahl bzw. zum Anteil der Personen an der Gesamtbevölkerung durchführen, die über mehrere Wohnsitze verfügen. Die Kombination mit weiteren personenbezogenen Kennziffern (z. B. Alter oder Geschlecht) erlaubt eine zusätzliche Differenzierung der Auswertungsergebnisse.

Auf räumlich übergeordneter Ebene (z. B. auf Ebene der Landkreise) lassen sich auch regionale Unterschiede sichtbar machen: Durch eine Auswertung anhand bestimmter Gemeindeeigenschaften (z. B. Größenklassen nach Bevölkerungszahl, räumliche Lage zu wichtigen Verkehrsachsen, zentralörtlichem Status etc.) sind so Analysen regionaler Wirkungszusammenhänge möglich.

Allerdings wird dabei das Phänomen der Multilokalität nicht in Gänze erfasst: So werden bei Weitem nicht alle multilokal lebenden Personen durch das Einwohnermeldewesen erfasst (z. B. findet eine regelmäßige Abwesenheit am Hauptwohnort zum Besuch von Familie, Freunden und Freundinnen oder Partnerinnen/Partnern häufig keinen Niederschlag in der Meldestatistik).

Eine Anwendung des hier skizzierten Vorgehens erlaubt also eine Annäherung an die Anzahl der Menschen mit mehreren Wohnsitzen, nicht jedoch eine Quantifizierung der Anzahl der multilokal lebenden Menschen.

Das hier nur kurz geschilderte Vorgehen erscheint aus Sicht der Ergebnisse des Projektes TempALand dennoch geeignet, sich dem Phänomen der multilokalen Lebensweisen inhaltlich zu nähern und eine Grundlage für die Diskussion möglicher Handlungsansätze und -strategien zu schaffen.

Auswertung von Pendlerdaten

Als weiterer methodischer Zugang zur Quantifizierung der Anzahl von Menschen mit multilokalen Lebensweisen wurde im Rahmen des Projektes TempALand eine Auswertung von Pendlerverflechtungen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten angewendet.

Die Grundlage dafür bilden Statistiken des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Informationen zur Anzahl der Personen nach Wohn- und Arbeitsort (differenziert nach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Auszubildenden) liefern. Diese sind grundsätzlich
frei verfüg- und nutzbar.

Für eine Abschätzung der Anzahl derjenigen, für die grundsätzlich ein „Verdacht“ auf eine multilokale Lebensweise besteht, bedarf es nun einer
Abschätzung der Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort. Dafür müssen jedoch alle für die eigene Gemeinde enthaltenen Relationen mit einer Wegeentfernung (besser: Fahrzeit) attributiert werden. Dies ist ausgehend von der eigenen Gemeinde in der Regel vom Aufwand her zu
leisten (in der regionalen Betrachtung hingegen deutlich aufwendiger).

Eine Schwierigkeit für die Bestimmung der Anzahl der multilokal lebenden Personen besteht jedoch in der Struktur der Grundlagendaten: Arbeitsorte, zu denen wenige Personen pendeln, sind in den Ausgangsdaten häufig nicht aufgeführt bzw. räumlich zusammengefasst (z. B. weitere Kreise im Bundesland). Hier stellt sich für geplante Auswertungen natürlich die Frage, wo „weitere Kreise im Bundesland“ sind bzw. wie lange es dauert, dorthin zu gelangen. Hier bedarf es eigentlich weiterer modellgestützter Umschätzungen, um Distanzen bzw. Fahrzeiten zwischen allen Wohn- und Arbeitsorten ermitteln zu können. Im Ergebnis ist es jedoch möglich, die Anzahl der Personen nach Wegelänge/ Fahrzeit zwischen Wohn- und Arbeitsort zu bestimmen.

Je nach normativer Setzung lässt sich so die Anzahl derjenigen Personen ermitteln, für die die Wahrscheinlichkeit, dass die Strecken zwischen Wohn- und Arbeitsort täglich in Kauf genommen werden, eher gering ist. So ist es z. B. bei einer Entfernung von 200 km und mehr wahrscheinlich, dass ein Leben an mehreren Orten geführt wird, weil von einem täglichen Pendeln aufgrund des Zeitaufwandes nicht ausgegangen werden kann. Für diese Personen kann eine multilokale Lebensweise grundsätzlich als wahrscheinlich gelten. Dies gilt sowohl für einpendelnde als auch für auspendelnde Arbeitskräfte.

Es ist jedoch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass ein Abgleich zwischen den Pendlerdaten und Angaben zu Haupt- und Nebenwohnsitzen nicht möglich ist. Das heißt, dass diejenigen, die aufgrund der weiten Pendeldistanz Wohnungen an unterschiedlichen Orten unterhalten, ggf. in beiden Statistiken erfasst sind und nicht eindeutig identifiziert werden können. Ein direktes Aufaddieren ist also nicht möglich. Eine Bestimmung der „korrekten“ Anzahl der multilokal lebenden Personen in der eigenen Gemeinde ermöglicht indes auch dieser methodische Zugang nicht: So lebt nicht jede Person, die mehr als eine bestimmte Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort zurücklegt multilokal, darüber hinaus lässt sich nicht ausschließen, dass eine Person, die ggf. auch nur eine deutlich geringere Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort zurücklegen muss, aus familiären, partnerschaftlichen oder sonstigen privaten Gründen, multilokal lebt.

Qualitative Ansätze

Um weitere Erkenntnisse hinsichtlich der Formen und Motive multilokaler Lebensweisen zu identifizieren und die Auswirkungen von Multilokalität auf die betroffenen Orte zu untersuchen, können Sie eigene Erhebungen (z. B. in Form von schriftlichen Befragungen aller Haushalte) in Ihrer Kommune durchführen und auswerten. Im Gegensatz zu anderen statistischen Auswertungs- und Analyseansätzen (z. B. Auswertung von Meldestatistiken) eröffnet die schriftliche Haushaltsbefragung die Möglichkeit, auch nicht offiziell gemeldete multilokal lebende Personen zu erfassen (z. B. als Mitglied eines Haushaltes) und gleichzeitig deren Motive und Beweggründe kennenzulernen.

Für eine Haushaltsbefragung können Sie in Kooperation mit den kommunalen Meldeämtern einen Fragebogen (z. B. in Form einer Postkarte entwickeln und an jeden Haushalt im Untersuchungsgebiet verschicken.
Für Rückfragen wird jedem Fragebogen ein Begleitschreiben mit Erläuterungen und Kontaktdaten beigefügt. Dieses sollte zudem von der jeweiligen Bürgermeisterin oder dem jeweiligen Bürgermeister der Kommune unterzeichnet werden, um Vertrauen aufzubauen. Die Befragung kann zusätzlich auch online zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig können Sie abfragen, ob die antwortende Person Interesse hat, an einem weiterführenden Interview teilzunehmen und entsprechend die Möglichkeit geben, eine Telefonnummer oder eine E-Mail-Adresse anzugeben. Darüber hinaus kann die Auswertung der Befragung eine erste Annäherung an das Phänomen liefern.

Postkarte der Haushaltsbefragung im Diepholzer Land

Durchführung von Interviews mit multilokal lebenden Personen und Funktionsträgerinnen und -trägern

Um den Lebensalltag der mehrörtig lebenden Personen zu analysieren, eignen sich qualitative Interviews mit Multilokalen, aber auch mit Funktionsträgerinnen und -trägern in den Kommunen. Die zuvor beschriebene Haushaltsbefragung kann ein Ausgangspunkt für die Durchführung der qualitativen Interviews sein, da auf diese Weise multilokal lebende Menschen als Interviewpartnerinnen und -partner angesprochen werden. Für die Durchführung der Interviews eignet sich ein Leitfaden, in dem die Themen und Fragen aufgelistet sind, die für die Erfassung der Lebenswelt von Multilokalen von Bedeutung sein können. Was sind die Gründe, die Dauer und die Rhythmen der Lebensweise und welche technischen und sozialen Infrastrukturen werden genutzt? Wie wohnen die Menschen und wie sieht das Umfeld an den jeweiligen Orten aus? Kommen Freundinnen und Freunde oder die Familie zu Besuch oder gibt es Verpflichtungen (z. B. Pflege Angehöriger oder Kindererziehung)? Von Interesse können zudem das Ausmaß und die Intensität des Bürgerschaftlichen Engagements an den Orten sein und wie bspw. Nachbarschaften oder Ortsgemeinschaften funktionieren. Dazu zählen z. B. die Ortsverbundenheit sowie die Organisation des Alltags. Außerdem können die Wahrnehmung und Betroffenheit des Phänomens abgefragt sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken ermittelt werden.

Die Funktionsträgerinnen und -träger können bspw. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Vereinsvorsitzende, Unternehmerinnen und Unternehmer etc. sein. Also alle Personen, die mit den mehrörtig Lebenden in Kontakt stehen oder über deren Lebensweise und die Auswirkungen dieser Auskunft geben können. Auch hier eignet sich ein Leitfaden zur Durchführung der Interviews, der bedeutsame Themen zur Analyse der mehrörtigen Lebensweisen enthält.

Themen können bspw. Informationen zu den Kommunen (z. B. aktuelle Handlungsfelder, Infrastrukturausstattung, Wohnraumnachfragesituation, Ortsgemeinschaft, Image oder Verflechtungen) sein. Zudem sind die Verbreitung und die Wahrnehmung, der Bekanntheitsgrad und die Betroffenheit innerhalb der Kommunen, Vereine, Institutionen oder Unternehmen interessant.

Außerdem bietet es sich hier an, mögliche Auswirkungen von Multilokalität auf die Kommunalfinanzen, die soziale und technische Infrastruktur, lokale Wohnungs- und Arbeitsmärkte, die Siedlungsentwicklung oder das Bürgerschaftliche Engagement einzufangen sowie mögliche Handlungsspielräume und Strategien abzuleiten. Zudem tragen die Interviews zur Sensibilisierung für Multilokalität bei.

Einordnung im Rahmen von Konzepten
Des Weiteren können kommunale oder regionale Konzepte, Leitlinien oder Strategien für die Abschätzung einzelner Themenbereiche innerhalb des Phänomens Multilokalität genutzt werden. Ein Beispiel hierfür sind Regionale Entwicklungskonzepte (REK), in denen eine Region beschrieben und analysiert sowie Entwicklungsperspektiven und -empfehlungen aufgezeigt werden. Innerhalb der Konzepte können die angefertigten Analysen erste Aufschlüsse zu mehrörtigen Lebensweisen in den Regionen geben. So wird z. B. im REK des Diepholzer Landes dieses als „touristische Destination“ eingestuft. Dadurch gewinnen alle Fragen und Themen im Zusammenhang mit freizeitbedingt multilokal Lebender an Bedeutung: Ferienhaussiedlungen, Dauercampingplätze, Auswirkungen auf den Ausbau von Infrastrukturen und Dienstleistungen vor Ort etc.

Außerdem können bspw. Wohnraumversorgungskonzepte Informationen zu multilokalen Lebensweisen liefern. Diese Konzepte beinhalten Analysen des Wohnungsmarktes und der Wohnraumsituation. Außerdem liefern sie Prognosen und Entwicklungsempfehlungen für die jeweiligen Gebiete. Auch diese Konzepte können Hinweise auf mehrörtige Lebensweisen geben. So zeigt das Wohnraumversorgungskonzept des Landkreises Diepholz (siehe Abbildung 20) bspw., dass zukünftig kleine Wohnungen benötigt werden. Diese Wohnungen werden oft aufgrund von Alterung sowie der Veränderung von Haushaltsstrukturen benötigt. Multilokale kommen dann als Nachfragergruppe ggf. noch dazu bzw. konkurrieren auf einem eher knappen Wohnungsmarkt.
Die beispielhaft vorgestellten Konzepte können zwar keine validen Aussagen zu Multilokalität geben, lassen aber an einigen Stellen Rückschlüsse zu und können Hinweise geben.

Wohnraumversorgungskonzept des Landkreises Diepholz

Quellen:

Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.) (2016): Multilokale Lebensführung und räumliche Entwicklungen. Positionspapier aus der ARL 104. Hannover.
Asendorpf, J. B. (2008): Living Apart Together: Alters- und Kohortenabhängigkeit einer heterogenen Lebensform. S. 749-764 in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Vol. 60, Issue 4. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Dittrich-Wesbuer, A.; Föbker, S.; Sturm, G. (2015): Multilokales Wohnen: Empirische Befunde zur Verbreitung in Deutschland. S. 121-143 in: Weichhart, P. & Rumpolt, P. A. (Hrsg.) (2015): Mobil und doppelt sesshaft. Studien zur residenziellen Multilokalität. Wien: Abhandlungen zur Geographie und Regionalforschung Bd. 18.
Statistisches Bundesamt (2009): Zuhause in Deutschland. Ausstattung und Wohnsituation privater Haushalte. Ausgabe 2009. Wiesbaden: SFG Servicecenter Fachverlage.

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